Stolperfallen im Job und wie Angela Merkel sie gemieden hat

Mit meinem Vortrag „Stolperfallen im Job vermeiden“ bin ich schon erfolgreich durch das ganze Land gereist. Im April 2018 wurde ich eingeladen, ihn im Rahmen der Hannover Messe vor internationalem Publikum zu halten. Am Abend zuvor saß ich in einem Hannoveraner Hotel und schaute die Tagesschau – man will ja auch auf Geschäftsreisen über das Weltgeschehen informiert sein. Zwischen den Meldungen aus aller Welt und dem Wetterbericht verkündete Jan Hofer, dass die Bundeskanzlerin genau jene Veranstaltung eröffnet hat, auf der ich am nächsten Tag sprechen sollte. Das hat mich ins Grübeln gebracht.
Angela Merkel – von „Kohls Mädchen“ zur Frauen- und Umweltministerin, dann von der Generalsekretärin zur Parteivorsitzende und nun schon zum vierten Mal zur deutschen Bundeskanzlerin ernannt. Damit ist sie nicht nur die mächtigste Frau im Land, sondern auf der ganzen Welt! Wie legt man eigentlich so eine Karriere hin? Und dann ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen: Angie hat genau jene Stolperfallen, über die ich bereits in zahlreichen Vorträgen gewarnt habe, im Laufe ihrer Karriere vermieden.
Nicht kommandieren, sondern kommunizieren
Wie wichtig Kommunikation ist, hören wir immer wieder. Tatsächlich besteht Kommunikation vor allem aber aus der Körpersprache, der Mimik, der Gestik, dem Auftreten und der Stimme. Dabei machen nur schlappe 7 % den Inhalt aus! Wie man diese 7 % kommuniziert, entscheidet darüber, ob man Vertrauen aufbauen und somit verstanden werden kann oder ob man Gefahr läuft, ein Missverständnis heraufzubeschwören. Doch solche Missverständnisse kosten immer viel Zeit und auch Nerven. Daher sollte man alles daransetzen, dass es erst gar nicht dazu kommt. Viele Missverständnisse sind auf fehlendes Vertrauen zurückzuführen. Denn nur wer dem Sprecher vertraut, kann mit seinen Aussagen einverstanden sein. Wie kann man dieses Vertrauen aufbauen? Besonders im Berufsleben erreicht man Vertrauen durch den Dialog auf Augenhöhe.
Die Bundeskanzlerin hat das erkannt und ist daher immer wieder darauf bedacht, einen gleichberechtigten Austausch zu fördern. So ist sie auf ihren Reisen in andere Länder stets bemüht, sich auch „unter das Volk zu mischen“ und das Leben außerhalb der eigenen Landesgrenzen zu verstehen.
Sie beherrscht die nonverbale Kommunikation wie kaum ein zweiter. Es ist geradezu das Wahrzeichen der Bundeskanzlerin geworden: die sogenannte „Merkel-Raute“. Auf vielen Fotos oder in anderen Situationen, in denen sie präsent sein muss, führt sie ihre Fingerspitzen aneinander und bildet so mit ihren Händen eine Raute. Auch dies ist eine Form von Kommunikation. Damit strahlt sie nämlich Ruhe und Entschlossenheit aus – zwei erstklassige Eigenschaften guter Chefs. Wer so gelassen und bestimmt auftritt, kommandiert nicht, sondern kommuniziert Stärke und Autorität.
Nicht zögern, sondern machen
Es ist eigentlich klar: Wer etwas erreichen will, darf nicht warten, bis es ihm auf dem Silbertablett angeboten wird. Wir müssen selbst aktiv werden. Manchmal bedeutet das auch, Neuland zu betreten und dabei auch Fehler zu machen. Doch woraus könnte man besser lernen, wachsen und sich entwickelt, wenn nicht an der Erfahrung und dem Wissen, wie es nicht geht? Das bedeutet natürlich nicht, dass man blind handeln und den Kopf ausschalten kann. Selbstverständlich will auch das Machen überlegt sein, aber dann sollte man auch zur Tat schreiten und keine Angst vor Fehltritten haben. Auch die Bundeskanzlerin hat mal ganz klein angefangen.
Als Angela Merkel 1998 vom Partei- und Fraktionschef Wolfgang Schäuble zur Generalsekretärin ernannt wurde, galt sie noch als „Kohls Mädchen“. Die politische Männerriege ließ er wenig Anerkennung zukommen, glaubte nicht an sie, sah sie mehr als „Quotenfrau“. Doch die heutige Bundeskanzlerin machte, sie zögerte nicht, sie tat alles, was in ihrer Macht stand, um sich die Anerkennung zu verdienen. Dass das nicht über Nacht ging, war ihr sicherlich klar. Selbst 2005 machte Noch-Bundeskanzler Gerhard Schröder keinen Hehl daraus, dass er Frau Merkel nicht ernst nehmen könne. Aber sie hat es geschafft. Sicherlich hat sie es nicht fehlerfrei und ohne Hürden geschafft, aber sie hat gemacht und nicht gezögert.
Nicht ducken, sondern verantworten
Kaum eine Eigenschaft sehen Chefs lieber in ihren Mitarbeitern: Verantwortungsbewusstsein. Da wissen sie, der verpflichtet sich, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um seine Aufgabe zu erfüllen, sein Ziel zu erreichen. Auf den können sie sich verlassen. Wichtig ist aber auch, Selbstverantwortung zu übernehmen. So hilft es dem Chef und dem Unternehmen langfristig nichts, wenn der Mitarbeiter jeden Tag bis in die Nacht hinein Überstunden macht, die freien Tage auch noch für die Firma opfert und am Ende bis auf unbestimmte Zeit wegen eines Burnouts ausfällt. Selbstverantwortung bedeutet außerdem, dass man für die eigenen Fehler geradesteht. Ja, Fehler passieren, sie sind menschlich und manchmal wichtig, um neue Wege zu gehen. Dabei ist aber entscheidend, sie nicht anderen in die Schuhe zu schieben, sondern sie auf die eigene Kappe zu nehmen. Fehler machen auch die Obersten – auch die Bundeskanzlerin.
Je höher die Position ist, desto größer ist die Verantwortung. Welche Last auf den Schultern der Staatschefin liegen, können wir wohl nur erahnen. Natürlich bewahrt sie das nicht vor Fehlern – doch sie steht dafür gerade. Dabei fällt mir als erstes ihr Umgang mit dem Anschlag am Berliner Breitscheidplatz vom Dezember 2016 ein. Die Angehörigen der Opfer hatten ihr vorgeworfen, sich nie persönlich an sie gewandt zu haben. Diesen Fehler hat sie eingeräumt und gezeigt, dass sie dafür geradesteht. Es folgten persönliche Treffen, bei denen es auch darum ging, wie sie sich hätte anders verhalten müssen und was sie daraus gelernt hat. Es ist sicherlich nicht einfach, zuzugeben, dass man auch in höchster Position nicht perfekt ist. Wer aber selbstverantwortlich handelt, steht zu seinen Fehlern und zeigt damit nicht nur Größe, sondern auch Lernbereitschaft – und das macht (fast) jeden Fehler wett.